How to make a Graffiti workshop ?

Die Qualitätsanforderungen an einen Graffitiworkshop, erarbeitet von der Graffiti Lobby Berlin, sollen Auftraggebern der Jugend-, Bildungs- und Kulturarbeit und Künstlern Hilfestellung geben, Erwartungen zu formulieren, Inhalte und Rahmenbedingungen zu hinterfragen und fachlich fundierte Aufträge zu vereinbaren.


Wir haben einen Graffitiworkshop bezüglich seiner Inhalte betrachtet: pädagogisch, künstlerisch und ökologisch, auch hinsichtlich des Gesundheitsschutzes. Und wir geben Hinweise was bei der Vorbereitung, Angebotserstellung und Abrechnung zu beachten ist.

 


1. Pädagogische Inhalte

 


Zielstellung des Workshops formulieren
Themen und Lerninhalte vorab mit den Teilnehmern besprechen oder dies gemeinsam mit ihnen im Gruppenprozess erarbeiten, z.B. durch Mindmapping. Produktorientierung besprechen, z.B. eine besprühte Leinwand, eine besprühte Mauer auf dem Schulhof etc.


Zielgruppe / Teilnehmer benennen
Differenzierung bei verschiedenen Altersgruppen, Grösse der Gruppe festlegen (ideal sind 7 bis 10 Teilnehmer), Umgang mit schwierigem Klientel vorab besprechen

 

Aufklärung über illegales Sprühen
Darstellung der straf- und zivilrechtlichen Folgen (z.B. bei Sachbeschädigungen) Hierüber können viele Künstler oft aus eigenen früheren Erfahrungen sprechen, gelegentlich gibt es gutes Informationsmaterial von Jugendhilfeträgern oder der Polizei.


Wirkung und Nachhaltigkeit des Workshops
Die jungen Teilnehmenden werden mittels Graffiti in ihrer Lebenswelt aufgesucht, die Wissensvermittlung gestaltet sich durch Identifikation oft einfacher als z.B. im Schulalltag. Möglichkeiten / Orte legalen Sprühens sollten benannt werden. (z.B. in Einrichtungen der Jugendhilfe in der Region mit Graffitiangeboten, legale Wände) Eine Vernetzung der lokalen Akteure (Bildung, Jugendarbeit, Künstler) ist hierbei sinnvoll ! Möglichkeiten der Berufsfindung aufzeigen für talentierte Sprüher (Grafik, Medien etc.)


Gender Mainstreaming
Lebenslagen und Hemmnisse berücksichtigen, Mädchen / junge Frauen benötigen z.B. oft mehr Begleitung, Jungen / junge Männer wissen und können immer schon alles und wollen sofort mit Sprühen anfangen. Manchmal kann es hilfreich sein, Angebote ausschließlich an Mädchen oder Jungen auszurichten.


Inklusion
Hier gibt es noch wenig Erfahrung im Umgang mit Teilnehmern mit körperlichen und /  oder geistigen Beeinträchtigungen. Man müsste z.B. sicher mehr Zeit einplanen für einen Workshop.


Aufsichtspflicht und Vorbildfunktion
Künstler sind in der Regel keine „Betreuer“ mit pädagogischer Ausbildung. Insofern sollte immer ein Lehrer, Sozialarbeiter oder sonstige pädagogische Fachkraft während des Workshops anwesend sein. (vertraglich regeln !) Pädagogische Regeln von Nähe und Distanz im Workshop wahren, Künstler sollen keine Teilnehmer zu privaten Graffitiaktivitäten ausserhalb des Workshops einladen. Künstler sollten während des Workshops nicht rauchen.

 


2. Künstlerische Inhalte

 


Wissensvermittlung: Was ist Graffiti ?
Kurzdarstellung der Geschichte und Vorstellung bedeutender Graffiti Künstler, ggf. auch die eigene Geschichte des Workshopleitenden
(hier können Magazine, Bücher, Fotos / Dias oder Kurzfilme behilflich sein)


Ideenfindung
Was als Gruppen- oder Einzelbild gestaltet / gesprüht wird, sollte am besten in einem Gruppenprozess mit den Teilnehmern erarbeitet werden (Methodik: z.B. Mindmapping).


Fachbegriffe, Styles und Characters
Graffiti meint in erster Linie die Kunst der Buchstaben (Styles), die Nichteingeweihte in der Regel nicht lesen können und die figürlichen Darstellungen (Characters) eines Graffitibildes (Piece) ansprechender finden. Ein Graffitiworkshop vermittelt i.d.R. zuerst die Buchstabenlehre (Stylewriting), im zweiten Schritt die Ausschmückungen (Designs, Characters) eines Bildes. Hierbei werden auch die gebräuchlichen Fachbegriffe (Outlines, Inlines, Background, Fadings, Tags, Overkill etc.) der Graffitikunst erklärt.

 

Farben- und Formenlehre
Der Künstler sollte über Wissen zu Farbenlehre (Licht- und Körperfarben, Farbkreise, Kontraste etc.) und Formenlehre (Perspektiven, Proportionen etc.) verfügen.


Vermittlung verschiedener Techniken
Neben dem Erlernen verschiedener Sprühtechniken könnten auch selbstgefertigte Schablonen (Pochoirs) oder Pinsel verwendet werden.


Graffitikunst im öffentlichen Raum
Sofern es im Rahmen des Workshops möglich ist, kann eine geführte Graffititour durch die Stadt oder ein Ausstellungsbesuch hilfreich sein, die Teilnehmer auf einen Workshop vorzubereiten.

 


3. Gesundheitsschutz

 


Belehrung über gesundheitliche Risiken
Die Bestandteile in Graffiti-Sprays sind verschiedene Lösemittel wie aromatische Kohlenwasserstoffe (Xylol, Butylacetat, Ethylacetat), aliphatische Ketone (z.B. Aceton), Acrylharze und Treibgase (Propan, Butan). Sprühnebel kann z.B. zur Reizung der Augen und Atemwege führen.
Die Teilnehmer sollten vor jeder Sprühaktivität belehrt werden, ggf. ist eine Einverständniserklärung der Sorgeberechtigten einzuholen.


Allgemeine Schutz- und Hygienemaßnahmen
Orte, an denen gesprüht wird, sollten gut belüftbar sein, am besten sollte immer ausserhalb geschlossener Räume gesprüht werden. Nahrungsmittel und Getränke sind fernzuhalten. Berührung mit der Haut und den Augen vermeiden, Dämpfe nicht einatmen.
Vor den Pausen und bei Workshopende Hände waschen. Zur Vermeidung von Unfällen sollte auf den Einsatz von Leitern und Steigern verzichtet
werden, ggf. sollte darüber vorab belehrt werden.

Schutzbekleidung
Bei der Benutzung einer Sprühdose sind Atemschutzmasken, lösungsmittelbeständige (Einweg)handschuhe und möglichst auch eine Schutzbekleidung (z.B. Regenponcho) zu verwenden. Auch eine dichtschliessende Schutzbrille kann hilfreich sein. Bei einem regelmäßig stattfindenden Workshop wird die Anschaffung eines Atemfiltergerätes (Atemfilter A 1, Kennfarbe braun) empfohlen.


Was tun bei Unfällen ?
Bei Augenkontakt die Augen 10-15 Minuten mit Wasser spülen. Bei Bewusstlosigkeit Lagerung in stabiler Seitenlage und für den Transport in die Klinik sorgen. Teilnehmer in jedem Fall an die frische Luft bringen und den Notruf verständigen.

 


4. Umweltschutz

 


Entsorgung benutzter bzw. entleerter Sprühdosen
Der Künstler hat alle mitgebrachten Sprühdosen bei Workshopende einzusammeln und vollständig entleerte Dosen umweltgerecht zu entsorgen (Sondermüll). Auf keinen Fall sind Restdosen an die Teilnehmer zu verschenken. Farbrollen (für Vorgrundierungen) sind nach Benutzung auszuwaschen für nochmalige Verwendung.


Einsatz umweltschonender Farben
Bei den Grundier- und Sprühfarben sollte auf die Auswahl möglichst umweltschonender Farben geachtet werden. Bei Grundierfarben auf den „blauen Engel“ auf der Verpackung achten. Bei Sprühfarben gibt es den Trend, den Anteil der Schadstoffe kontinuierlich zu vermindern, die ersten Sprühdosen auf reiner Acrylbasis kommen gerade erst auf den Markt und sind noch recht teuer und nicht auf allen Untergründen verwendbar.


Beseitigung von Verunreinigungen
Zum Workshopende sollten mit den Teilnehmern alle Workshopmaterialien eingesammelt werden, vor allem auch die benutzten Sprühcaps.


Thematik Bitumen und Flusssäure
Um die Teilnehmer nicht darauf zu lenken, sollte das Thema eigentlich nicht angesprochen werden. Mit Graffitikunst hat dies nichts zu tun, die seltenen Fälle wo Bitumen oder Flusssäure verwendet wurden, sollten diese Thematik nicht in den Mittelpunkt rücken. Sofern Teilnehmer darauf ansprechen, soll auf die erheblichen gesundheitlichen Gefahren für sich und andere hingewiesen werden.


Im Einklang mit der Natur
Bei Graffitiaktivitäten im öffentlichen Raum ist darauf zu achten, nicht Bäume und Sträucher anzusprühen.

 


4. Anforderungen an Workshopleitende

 


- Authentizität als Graffitikünstler
- Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Erreichbarkeit
- Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses (nicht älter als 6 Monate)
- Vorlage eines kleinen Konzepts (Ablauf), ggf. Gestaltungsideen und Themenvorschläge
- Beachtung des pädagogischen Auftrags (Grenzen setzen, ggf. Aufsichtspflicht, Kooperation
mit dem Auftraggeber, Regeln von Nähe und Distanz wahren)
- ggf. Engagement im Sozialraum
- selbstständiges Arbeiten und Besorgung der notwendigen Materialien
- steuerliche Anmeldung als Selbstständiger / Freiberufler (haupt- oder nebenberuflich)
mit Vorlage der Steuernummer / USt.-ID Nr.
- Vorbildfunktion (z.B. nicht rauchen während des Workshops, keine beleidigenden oder
diskriminierenden Ausdrücke verwenden)
- Evaluation zum Workshopende (mit Teilnehmern und / oder Auftraggeber)

 


5. Vorbereitung des Workshops, Kalkulation, Honorar und Abrechnung

 


Gegebenheiten vor Ort besprechen
Zunächst sind die örtlichen Voraussetzungen (verfügbarer ausgestatteter Raum incl. Technik) und die zu besprühenden Flächen (Leinwand, Mauer etc.) zu klären. Bei Außenflächen ist die Beschaffenheit der Wand zu prüfen, ob Sprühen dort möglich ist.


Kalkulation Material
Sobald Teilnehmerzahl, Arbeitstechniken und zu besprühende Flächen besprochen sind, kann der Künstler den Materialaufwand und ggf.nötige Transporte kalkulieren.

 

Kalkulation Honorar
In der Bildungs-, Jugend- und Kulturarbeit gibt es bei Etats der öffentlichen Hand in der Regel Vorgaben, wie eine (künstlerische) Leistung honoriert wird. Grundlage hierfür sind die Honorarordnungen der jeweiligen Haushaltsordnung des Landes oder der Kommune. Diese sind oft nicht identisch und erfordern z.B. in der Jugendarbeit einen bestimmten pädagogischen Abschluß, nach welchem sich der Stundensatz richtet. Diesen haben Künstler in der Regel nicht, verfügen aber oft über langjährige gleichwertige Erfahrungen auf diesem Gebiet. Auftraggeber haben die Möglichkeit, mit entsprechender Begründung einen höheren Stundensatz als vermeintlich festgelegt zu vereinbaren. Oft bleibt leider die Zeit der Vor- und Nachbereitung (Erstellen eines Konzepts, Besorgung der Materialien, Vorgespräch, Ortsbegehung etc.) unbezahlt, diese Zeit sollte im zeitlichen Umfang auch honoriert werden.
(Wir hätten keine Lehrer, wenn diesen nur die reine Unterrichtszeit bezahlt würde.)
Künstler und Auftraggeber sollten den Unterschied zwischen Honorar- und Werkvertrag kennen.


Umsatzsteuerproblem
Künstler (ausser Kleinunternehmer nach §19 UStG) arbeiten mit 7 oder 19 % Umsatzsteuer, die sie an das Finanzamt abführen müssen. Die öffentlichen Haushalte arbeiten nach kameralistischem Prinzip und kennen keine Umsatzsteuer. Brutto ist immer gleich Netto, wenn Honorar oder Material bezahlt werden. Deshalb muß ein Künstler darauf achten, dass er ggf. die Umsatzsteuer in allen Beträgen einrechnet. Ein vermeintlich gut bezahlter Auftrag an einen Künstler kann somit die Folge haben, dass sich sein Engagement nicht rechnet und er nicht jeden Auftrag annehmen kann.


Belegabrechnung und Vorlage von Angeboten
Die benötigten Materialien für einen Graffitiworkshop werden als „Verbrauchsmaterial“ bezeichnet, übersteigen im Einzelwert nicht die Anschaffungsgrenze, ab der 3 Angebote von 3 Anbietern vorzulegen sind. Sparsame Mittelverwendung ist selbstverständlich. Sofern ein Dritter (z.B. ein durch eine Stiftung finanziertes Projekt) die Mittel für den Workshop zur Verfügung stellt, muß der Künstler mit der Vorlage aller Originalbelege rechnen. Im Normalfall stellt der Künstler 1:1 die kalkulierten und beschafften materialien in Rechnung.


Abgaben an die Künstlersozialkasse
Künstlerische Leistungen sind seitens des Auftraggebers mit Abgaben an die Künstlersozialkasse (KSK) verbunden, egal ob der Künstler dort versichert ist oder nicht. Der Abgabensatz wird jährlich neu bestimmt, so betrug er 2013 noch 4,1 Prozent des gezahlten Honorars, 2014 stieg er auf 5,2 Prozent. Der Künstler hat den Auftraggeber auf seine Abgabenpflicht hinzuweisen; dies sollte vertraglicher Bestandteil sein, selbst wenn der Auftraggeber von dieser Abgabe befreit ist.


Urheberrecht und Dokumentation
Der Umgang mit den Bildrechten des Künstlers sollte vorab besprochen werden. Problematisch stellt sich dar, Abbildungen von Minderjährigen während des Workshops ohne Einverständnis der Eltern z.B. in sozialen Netzwerken zu verbreiten. Auch die Persönlichkeitsrechte von betreuenden Erwachsenen könnten betroffen sein. Workshops finden in der Regel in geschlossenen bzw. geschützten Räumen statt, dort sollten sie auch dokumentarisch verbleiben.

 


6. Impressum
An diesen Empfehlungen für einen Graffitiworkshop haben im Rahmen der Graffiti Lobby Berlin mitgearbeitet:
Anne (Outreach), AkteOne (Künstler), Jan (0815industries), Marco (Berlin Massive), Thomas (Panterdesign), Jurij (Künstler), Kobe (Künstler), Andreas (Outreach), Krishy (Künstler), Enrico (Künstler), Christiane (Kunstlehrerin), Kens (Künstler) und Pekor (Künstler)

 

Graffiti Lobby Berlin „How to make a Graffiti workshop ?“ © 2014

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